Lasersounds und Schlittschuhfahren auf ganz dünnem Eis

National Geographic hat vor kurzem dieses Video geposted: Ein zugefrorener See oder Fluss in der Nähe von Stockholm, der beim Schlittschuhfahren diese Lasersounds macht. Das Eis ist mit etwa 45mm nicht besonders dick, weswegen es auch nicht weiß, sondern schwarz ist. Sieht toll aus und hört sich faszinierend an. *piupiu*

To hit the ice when it has just begun to freeze, in its most pristine, dangerously thin state, is the ultimate thrill in “wild ice skating,” or “Nordic skating.” […] A photographer and filmmaker based in Stockholm, Trygg has made an art of capturing both the clear, black appearance of the ice, and the laser-like symphony of sounds created when an ice skater’s bodyweight passes over it.

Im Rausch der Geräusche

Vielleicht liegt es daran, dass ich in den Sommermonaten viel in der Natur unterwegs war und ihre Klanglandschaften zu schätzen gelernt habe. Und/oder ich bin die Großstadt gerade überdrüssig. Keine Ahnung, warum genau, aber mein derzeitiges Lieblingsgenre auf Youtube sind Uploads, die stundenlang Naturgeräusche abspielen, oftmals mit Video. Und die Klickzahlen lassen darauf schließen, dass ich nicht der einzige bin, der sowas gerne konsumiert. Am liebsten bei der Arbeit, wenn ich lese oder schreibe, da steigert es spürbar meine Konzentration und Entspannung.

Abgesehen von Youtube gibt es auch spezielle Seiten wie noisli.com oder mynoise.net mit denen sich weitere Rauschgeräusche (white noise, gray noise, pink noise, etc.) streamen lassen.

 

 

Zu Pierre Schaeffer und seiner „Musique concrète“

Pierre-Schaeffer

Beim FACT Magazine ist gestern ein ausführlicher Artikel über den französischen Komponisten und Ingenieur Pierre Schaeffer erschienen, der als einer der Wegbereiter der „konkreten“, also aus direkten Klängen bestehenden Musik gilt. Wie in den meisten anderen Darstellungen wird Schaeffer als Wegbereiter und eigentlicher Erfinder, als „Pate“ des Samplings gefeiert – Jahrzehnte bevor man im HipHop, House und Reggae damit arbeitete:

One of the more profound consequences of Schaeffer’s inversion of the compositional process was that composers would no longer be bound to written scores and notation. Their music could exist solely as recordings, without need for players or instruments to actualize them. Even among other experimental and avant-garde musics of the time, notably the “elektronische Musik” being produced by Karlheinz Stockhausen in Cologne, Schaeffer’s approach represented a radical shift. Because any sound could now be repurposed for the sake of music-making, the possible combinations of timbres, rhythms, instruments, voices and harmonies became virtually infinite.

Ich glaube, diese Darstellung ist nicht ganz falsch und auch nicht ganz richtig. Sie ist vermutlich etwas zu kurz gedacht und zu sehr auf die Figur Pierre Schaeffer fixiert. Sicherlich war Schaeffer extrem wichtig für die avantgardistischen Versuche mit konkreten Klangmaterialien zu arbeiten, den Klang als solchen „anzufassen“ und musikalische Schleifen („Loops“) zu kreieren. Schaeffer hat viel dazu publiziert und beeinflusste andere wegweisende Künstler wie Pierre Henry, Karlheinz Stockhausen oder John Cage im Hinblick auf das prä-digitale Sampling und „found sounds“. Aber schon etwa 15 Jahre vor Schaeffers Pariser Arbeiten experimentierte der Berliner Walter Ruttmann für sein Stück „Weekend“ mit konkreten Klängen, wie sich im Museum der Initiative „Recht auf Remix“ und in meiner Diplomarbeit nachlesen lässt. Das tat er, weil er sich innerhalb eines größeren künstlerisch-intellektuellen Diskurses befand, der sich ab Beginn des 20. Jahrhunderts formierte und verstärkt den Phänomenen des Geräuschs und des Klangs widmete.

„Weekend“ ist eine wahre Symphonie der Geräusche, die aber mit rhythmischem Feingefühl und mit allerlei Pointen gespickt ist. Ruttmann verstand seine abstrakte Toncollage als „Jazz der Arbeit“, der von der dröhnenden Maschinerie der Schreibmaschinen, Registrierkassen und Sägen, aber auch vom verdienten Feierabend und dem erholenden Sonntagsausflug erzählt. Immer wieder gibt es semantisch-klangliche Assoziationen und Anspielungen, wie zum Beispiel beim „Ausklang“ des Wochenendes: Zuerst das Gläserklirren beim Zuprosten, danach die Glocken der Tiere und das Bimmeln der Kirchenglocke. Schließlich das Klingeln des Weckers, der lautstark den allwöchentlichen Arbeitsbeginn am Montag verkündet.

Zündfunk-Podcast: „Generation Preset. Wie digitale Voreinstellungen die Popmusik prägen“

Preset-Schalter an einem Rundfunktempfänger von etwa 1960; Berndt Meyer - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, $3

Preset-Schalter an einem Rundfunktempfänger von etwa 1960; Berndt Meyer – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, $3

Es gibt da diesen Witz über Samples, Loops und Ziegen:

I thought that using loops was cheating, so I programmed my own using samples. I then thought that using samples was cheating, so I recorded real drums. I then thought that programming them was cheating, so I learned to play the drums for real. I then thought that using purchased drums was cheating, so I learned to make my own. I then thought that using pre-made skins was cheating, so I killed a goat and skinned it. I then thought that was cheating too, so I grew my own goat from a baby goat. I also think that this is cheating, but I’m not sure where to go from here. I haven’t made any music lately, what with the goat farming and all.

Passend dazu gibt’s derzeit beim Zündfunk, einem Format des Bayerischen Rundfunks, gerade ein interessantes Feature über Presets, also die Voreinstellungen der digitalen Musikproduktion, mit deren Hilfe bestimmte Klänge gespeichert und immer wieder abgerufen werden können. Der gewählte Aufhänger für das Feature ist (natürlich!) Kreativität, welche durch Presets wahlweise eingeschränkt oder ermöglicht wird:

Bedeuten die technischen Möglichkeiten Fluch oder Segen für unsere Kreativität?

Oder auch:

Erleichtern uns diese digitalen Hilfsmittel die Arbeit, so dass mehr Platz ist für die eigentliche Kreativität? Oder stehen wir zunehmend einem Massenphänomen gegenüber, das für immer mehr Musik von der Stange verantwortlich ist?

Ich frag mich zwar eigentlich, was die „eigentliche Kreativität“ denn eigentlich sein soll, und eigentlich auch, ob durch Presets mehr „uneigentliche“ Kreativität hervorbracht wird? Aber das ist eigentlich nur mein persönlicher Vorbehalt gegenüber abgelutschten journalistischen Dichotomien, die dann eh nicht wieder thematisiert werden, sondern einfach nur catchy klingen sollen. So auch in diesem Fall.

Aber sei’s drum, der Podcast hat andere Stärken. Es wird anhand einiger Musikbeispiele sehr schön gezeigt, welche Rolle Presets spielen können. Das passt natürlich für das Format einer Radiosendung perfekt und macht das Ganze auch sehr spannend. Gerahmt wird das Feature durch Interviews mit dem Berliner DJ und Produzent Stefan Goldmann (der 2015 ein Buch über Presets herausgebracht hat), mit Robert Henke von Monolake (Mit-Entwickler von Ableton Live) und auch mit Musikern wie Andreas Gerth und Florian Zimmer von Driftmachine.

Stefan Goldmann hat jüngst auch auf einen Artikel bei Resident Advisor reagiert, in dem es um versteckte Co-Autorschaft im Techno ging. In seiner Antwort gibt er zu bedenken, dass die Sache mit der eindeutigen Autorschaft so einfach nicht sein kann wie bei RA gedacht. Das kreative Moment sei auch im Umgang mit der Materialität der Instrumente zu sehen, wie er auch im Podcast betont.

Irgendwann in der Mitte des Beitrags wird dann auch die Frage diskutiert, ob die Industrie ganze Stile mit ihren Presets maßgeblich steuern kann. Gegen Ende des Podcasts ist man sich ziemlich einig darüber, dass es so ist. Wie sich das auf musikalische Kreativität auswirkt, wird dann leider nicht mehr besprochen. Trotzdem alles in allem sehr hörenswert:

 

Hörtest zur Gretchenfrage: mp3 oder wav?

npr

Ein kleiner Hörtest mit 6 verschiedenen Beispielen bei npr.com. Ich finde, man hört den Unterschied recht deutlich, aber es kommt eindeutig auch auf Boxen bzw. Kopfhörer an. Und auf den Song an sich, denn manche Musik wird ja schon so produziert und gemischt, dass sie als mp3 gut klingt. Aber ich möchte nicht zu viel verraten, hört selbst!

Zu Tom’s Diner gibt es auch die folgende Anekdote:

In the late 1980s, when the engineers working on the MP3 were testing their creation, they picked one song to make sure the compression of the audio wouldn’t destroy the sound of the human voice.

That song? The a cappella version of Suzanne Vega’s “Tom’s Diner,” from the 1987 album Solitude Standing. The leader of that team of German engineers, Karlheinz Brandenburg, estimates he listened to the song “500 or 1,000 times.”

[via KMFW]