Bei iRights.info, dem Webmagazin für „Urheberrecht und kreatives Schaffen in der digitalen Welt“, ist diese Woche ein Text von mir zu Daft Punks „Get Lucky“ erschienen. Anhand zahlreicher Beispiele zeige ich, wie das Lied zum Hit wurde – nämlich durch kreative Kopien. Aus einem wenige Sekunden langen Sample wurden tausende Fan-Remixes geschaffen, die vermutlich die beste Werbung für das Original waren. Wie das genau ablief, kann man bei iRights nachlesen und -hören. Danke an David Pachali für die Redaktion.
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Deutschlandfunk über die Forschergruppe „Ethik des Kopierens“ (19.5.2016)
Eine Woche nach der Spring School zum Thema „Ästhetik und Ethik des Kopierens“ am ZiF Bielefeld gibt es beim Deutschlandfunk einen Beitrag über die Arbeit der Forschergruppe „Ethik des Kopierens“. Der Aufmacher des Beitrags ist der Streit zwischen Kraftwerk und Moses Pelham, der sich um ein 1,5 Sekunden langes Sample aus Kraftwerks Stück „Metal on Metal“ von 1977 dreht. Derzeit wird der Fall bzw. die Verfassungstreue des BGH-Urteils von 2012 hinsichtlich der Kunstfreiheit vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt. Ein Urteil wird am 31. Mai, also schon in knapp zwei Wochen verkündet. Am Anfang des Beitrags bin ich kurz mit einem Statement zu hören, danach wird die Arbeit der Forschergruppe näher besprochen. Es geht um die ethische und auch künstlerische Frage: wann ist Kopieren erlaubt und wann nicht?
Der Beitrag zum Nachhören:
Podiumsdiskussion: “Original oder Kopie? Ein Grenzgang” am 1. Juli 2013 in Berlin
Nächste Woche findet eine Podiumsdiskussion zum Thema „Original oder Kopie? Ein Grenzgang“ statt. Neben Susanne Binas-Preisendörfer (Professorin für Musik und Medien, Uni Oldenburg) und Philipp Theison (Professor für Literatur- und Kulturwissenschaft, ETH Zürich) sind auch Jan Kühn (Berlin Mitte Institut / Institut für Soziologie, TU Berlin) und Georg Fischer (Jäger und Sampler / ebenfalls Institut für Soziologie, TU Berlin) als Diskutanten eingeladen. Organisiert wird die Diskussion von der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) und der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB).
Jan befasst sich schon seit längerer Zeit mit der Berliner Technokultur im Sinne einer „Szenewirtschaft“ und hat seine ethnographische Diplomarbeit zum Thema „Wie entsteht Neues bei der Produktion elektronischer Tanzmusik in Homerecording-Studios?„ geschrieben. Meine eigene, eher soziohistorisch angelegte Diplomarbeit, die im April 2013 abgegeben wurde und derzeit beurteilt wird, hatte „Kreativität und Innovation des Samplings“ zum Thema (eigener Blogeintrag folgt).
Ich bin mir sicher, dass sich eine spannende und aktuelle Diskussion entwickeln wird, die sich vermutlich vor allem um das Verhältnis von Kopie und Original, von Kreativität und Inspiration in der Musik und der Kunst drehen wird. Die Praktiken Sampling, Remixing, Blends und Mashups sind ja zentrale oder zumindest relevante Bestandteile vieler Genres der Popmusik, führen aber oftmals zu juristischen Problemen durch Urheberrechtsverletzungen oder zu Lizenzierungs- und Finanzierungsschwierigkeiten. Auch und gerade diese Probleme werden sicherlich Teil der Diskussion sein. Die Veranstaltung ist übrigens öffentlich und frei für alle Interessierten, um Anmeldung wird gebeten (siehe unten).
Aus dem Ankündigungstext:
Themenzeit: “Original oder Kopie? Ein Grenzgang” – Kunst ohne Limit.
Wo ist die Grenze zwischen Kunst und Kopie?
Bestehendes dient oft als Vorlage für Neues. Doch wie verhält es sich damit in der Kunstszene? Wann kann ein Kunstprodukt Originalitätsanspruch erheben und wann wird es zum Plagiat? Auch in der Musikbranche ist es üblich, Musikstücke umzuformulieren, um daraus etwas Neues zu schaffen. Die wohl bekanntesten Beispiele hierfür sind das Sampling und das Mash-Up. Aber ab wann ist die künstlerische Eigenleistung nicht mehr gegeben, wann werden Urheberrechte verletzt und gibt es in der Künstlerszene einen Ehrenkodex, der sich mit dem respektvollen Umgang bestehender Kunstwerke auseinandersetzt? Im Gespräch mit Prof. Dr. Susanne Binas-Preisendörfer, Autorin der Studie zur Populärmusik “Klänge im Zeitalter ihrer medialen Verfügbarkeit”, Georg Fischer, DJ und Initiator der Radioshows “Basement Garage” und “Jäger und Sampler” und dem Soziologen Jan-Michael Kühn (DJ Fresh Meat) wird der Kultur- und Literaturwissenschaftler Dr. Philipp Theisohn diesen Fragen nachgehen und Wege aus dem Dilemma diskutieren.
Die Veranstaltungsreihe “Themenzeit” wird von der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb in Kooperation mit der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) durchgeführt und und richtet sich an alle politisch interessierten Bürgerinnen und Bürger. Monatlich erhält das Publikum unweit des Checkpoint Charlie die Möglichkeit, bekannte Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Kultur persönlich kennenzulernen und mit ihnen aktuelle gesellschaftliche Themen zu diskutieren. Die sechste Ausgabe findet begleitend zu dem Themenraum “Original oder Kopie?” statt, der vom 2. Juli bis zum 1. August in der Amerika-Gedenkbibliothek eingerichtet ist. (Quelle BPB)
1.7.2013, 19-20:30 Uhr in der Bundeszentrale für politische Bildung, Friedrichstraße 50, 10117 Berlin, 4. Stock.
Anmeldung bei Mahyar Nicoubin, Tel: 030-254504-429 oder E-Mail: mahyar.nicoubin@bpb.bund.de.
Alle Infos gibt es auch hier.
In the Mix: Daft Punk – The Samples mixed by Chris Read
Wie unter anderem bei der Spex zu lesen ist, enthält das neue Album von Daft Punk „Random Access Memories“ keinerlei Fremdsamples, sondern ist offensichtlich komplett neu eingespielt worden. Das ist, wenn man sich die bisherige Discographie – oder besser gesprochen: die Samplographie von Daft Punk zu Augen führt, vielleicht noch keine Innovation, aber ein Novum. Ein „Statement“ könnte man auch dazu sagen, Emanzipation vom French House-Image rufen die anderen. „Random Access Memories“ ist streitbar und mit äußerst gemischten Reaktionen von Redaktionen und Fans aufgenommen worden, was vielleicht – vermutlich? – gerade an den fehlenden Samples liegt.
Oder auch nicht. Vielleicht liegen die Qualitäten des Albums auch woanders. Ja, vielleicht liegen sie weniger darin, die eigenen Einflüsse durch Sampling zu rezipieren, als darin, Einfluss zu erzeugen. „Einflussreich“ in einem transitiven Sinne also. Denn es ist schon erstaunlich, wie viele Remixes und Versionen von Internetusern alleine die Single „Get lucky“ innerhalb von nur ein paar Wochen provozieren ließ, angefangen bei gefälligen Disco-Edits über 8Bit-Versionen hin zum After Hour-Kokolores. Und viele Remixes davon kamen wohlgemerkt weit vor dem offiziellen Release, sie basierten einzig und alleine auf einem 15-sekündigen Loop, den Daft Punk geschickt als Album-Teaser lancierten. Die Marketingstrategie hat sich viral über die digitale Remixkultur aufgefächert. Das ist schon ein geschickter Schachzug – falls es denn so gewollt war.
Ohne dass ich mich jetzt auf die Plattitüde berufen möchte, dass die „alten Sachen besser waren“ und so, bin ich drüben beim Blog von whosampled.com auf einen interessanten Mix gestoßen, der einige Originalsamples der früheren Daft Punk-Releases kompiliert. Der Mix ist super, wenn man sich dafür interessiert, wo Daft Punk eigentlich ihre Samples herhaben. Also, ein schönes Ding, das wie ein angenehmes „déjà-entendu“ daherkommt. So ähnlich wie ein „déjà-vu“, nur halt musikalisch-akustisch.
Übrigens, whosampled.com-Begründer Nadav Poraz bringt Daft Punks „Harder Better Faster Stronger“ in Interviews gerne als Beispiel dafür, dass Sample-basierte Remixes nicht nur Einflüsse rezipieren, sondern über Sampling gerade auch musikalische Impulse liefern können. „Harder Better Faster Stronger“ ist nämlich einer derjenigen Tracks, die öfter gesampled wurden als gesampled haben…
„With the release of Daft Punk’s much hyped new long player ‚Random Access Memories‘ imminent, we thought it a perfect time to revisit some of the excellent sample material that has provided the backbone to some of the duo’s best loved hits. We have put together a special mixtape comprising some of our favorites: disco, funk, rock and more.
Explore more of Daft Punk’s influences on WhoSampled here:
http://whosampled.com/l/BBo6„
2011 – Das Jahr der Kopie
Vor ziemlich genau einem Jahr ist dieser Blog ins Leben gerufen worden als begleitendes Medium zu meiner Radiosendung auf BLN.FM und meiner Diplomarbeit. Die Radiosendung ist abgeschlossen, die Diplomarbeit in der Vorbereitung. Ein guter Zeitpunkt, um kurz durchzuatmen und ein wenig zu reflektieren.
Fast die Hälfte des Jahres 2011 ist bereits vorangeschritten, doch ich wage schon jetzt eine kleine Prognose: 2011 ist das Jahr der Kopie und des Kopierens. Was sich 2010 bereits andeutete, nämlich das öffentliche und mediale Interesse am Plagiarismus von Bushido und Helene Hegemann, setzt sich 2011 fort. Einen Hattrick in der Wissenschaft haben wir bereits, nämlich mit den Rücknahmen der Doktortitel von Karl-Theodor zu Guttenberg, der einen blonden Frau von der FDP (Silvana Koch-Mehrin) und der einen blonden Tochter von Stoiber (Veronika Saß). Ähem. Die letzten beiden haben sich im Übrigen ganz heimlich, still und leise von ihren gepimpten Klingelschildern verabschiedet – im Gegensatz zu erst genanntem, der einen – man kann es nicht anders nennen – einem Rohrspatzen nicht unwürdigen Abgang hinlegte.
Egal ob Audi für ein internes Video einen Spot von Chrsyler inklusive des Hintergrundtracks „Lose yourself“ von Eminem abkupfert oder in China ganze europäische Dörfer nachgebaut werden: Kopieren ist en vogue. Dabei schwingt ständig ein bösartiger Unterton bei diesem Wort Kopie mit, denn es ist ein böses Wort in unserer heutigen Gesellschaft. Es steht sinnbildlich für mangelnde Kreativität, geringen Arbeitsaufwand, Unselbständigkeit, fehlende Innovation und für das sprichwörtliche „eine Bein im Gefängnis“. Genau das Gegenteil hochgelobter deutscher Tugenden, wie man meinen möchte.
Kopie ist der Gegenbegriff zum Original, die böse Cousine der Kopie heißt Fälschung. Dabei vergisst man jedoch, dass es erstens mit unserem Begriff des Originals auch noch nicht allzu weit her ist und Kopieren zweitens, im Sinne einer perfekt hergestellten und absolut identischen Imitation, gleichermaßen eine hohe Kunst sein kann. Die Tätigkeit des Kopierens an sich ist ja nicht schlecht, erst die soziale Etikettierung („Plagiat“, „sich mit fremden Federn schmücken“, „Nachahmer“) stellt eine Bewertung zwischen Original und Kopie her. Den Unterschied zwischen Original und Kopie machen die Menschen erst seit der Erfindung des Buchdrucks, als es nicht mehr notwendig war, dass Mönche Bücher abschrieben, sondern man die Vorlage des Originals (lateinisch für Ursprung, Entstehung) Eins zu Eins zu Kopien (lateinisch für Menge, Vorrat) replizieren konnte.
Im Übrigen ahmen wir alle ständig nach, es ist nicht nur das Copy & Paste mit der Tastatur: jeden Tag unseres Lebens verbringen wir mit Imitationen der gleichen Handlungen, es ist ein soziales Prinzip (vgl. Gabriel Tarde). Wie hätten wir sonst wohl das Schreiben gelernt oder das Sprechen oder Fotokopieren… nein, mal im Ernst, fast alles von dem, was wir jeden Tag tun, ist Imitation; entweder als Ausführung einer Routine oder als Lernen neuer Tätigkeiten, das Allerwenigste kommt ausschließlich aus uns selbst heraus. Die Neu-Kombination, Neu-Bewertung und Neu-Kontextualisierung des Vorhandenen ist die eigentliche schöpferische Leistung eines jeden einzelen jeden Tag.
Und so scheint es kein Zufall zu sein, dass der theoretischen Reflexion von Kopie und ihrem Verhältnis zur Inspiration auf der diesjährigen DMY besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Eine erste Lecture ist bereits im Internet als Video zu finden:
Am weisesten hat es wahrscheinlich immer noch Konfuzius (ca. 5 Jahrhundert vor Christus) ausgedrückt:
Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu Handeln:
Erstens durch Nachdenken, das ist das Edelste.
Zweitens durch Nachahmen, das ist das Leichteste.
Und drittens durch Erfahrung, das ist das Bitterste.