Fresh from the Press: „Sampling in der Musikproduktion“ (Büchner-Verlag 2020)

9783963171901_hp-350x495-1

Vor kurzem ist meine Studie, die ich zwischen 2015 und 2018 am Graduiertenkolleg „Innovationsgesellschaft“ am Institut für Soziologie der TU Berlin durchgeführt habe, erschienen: und zwar beim Büchner Verlag als klassisches Buch sowie als frei verfügbares Open Access-PDF. Das Vorwort hat freundlicherweise Leonhard Dobusch beigesteuert, worüber ich mich sehr freue.

Wer eine kurze Einführung in meine Arbeit bzw. eine Zuspitzung einer Thesen aus der Studie lesen will: Bei iRights.info gibt es einen entsprechender Artikel zum Thema. Für die ausführliche Fassung empfehle ich das Buch.

Sampling in der Musikproduktion

Das Spannungsfeld zwischen Urheberrecht und Kreativität

384 Seiten, 14,5 x 20,5 cm, kartoniert
ISBN 978-3-96317-190-1 (Print)
34,00 € (Print)
ISBN 978-3-96317-721-7 (ePDF)
27,00 € (ePDF)Büchner-Verlag, Marburg, erschienen am 22. Januar 2020.
Mit einem Vorwort von Leonhard Dobusch

20 Jahre Streit um eineinhalb Sekunden kopierte Musik? Die Auseinandersetzung im Fall »Metall auf Metall« zwischen der Musikgruppe Kraftwerk und dem Komponisten Moses Pelham beschäftigte 2019 sogar den Europäischen Gerichtshof. Sie zeigt, dass das Urheberrecht zu einem gesellschaftlichen Streitthema geworden ist, das sich aus der Nische des künstlerischen Bereichs in den Alltag nahezu aller Menschen gedrängt hat. Dieser Prozess lief nicht unbemerkt von der Wissenschaft ab und dennoch ist diese gerade erst dabei, die Implikationen und Effekte dieser urheberrechtlichen Ausdehnung genauer zu verstehen.

Der Soziologe Georg Fischer liefert die erste empirische Studie zum Sampling in der Musik, die explizit den Einfluss des deutschen Urheberrechts auf die kreative Praxis untersucht. Er zeigt die Fülle und Vielfalt an kreativen Umgehungsstrategien, die sich im Schatten des Urheberrechts ausgebreitet und verankert haben – und mit denen die Künstler_innen die eigene Sichtbarkeit sowie die ästhetische Komplexität und monetäre Verwertung ihrer Werke notgedrungen einschränken.

Interview für landr zu Sampling, Urheberrecht und Kreativität

Duane Storey via Attribution Engine. Licensed under CC BY-NC-ND

Annika Wegerle von der Mastering-Website landr.com hat mir ein paar Fragen zu aktuellen Entwicklungen im Sampling-Bereich gestellt und ich habe sie sehr gerne beantwortet. Vielen Dank für die Anfrage! Hier entlang zum Interview.

Um genauer zu verstehen, wie bestimmte Kernkonzepte der Musik heute gefasst werden müssen, und inwiefern das Sampling Symbol für eine neue Musikbranche und -kultur ist, haben wir uns mit Georg Fischer unterhalten, der sich als Soziologe an der TU Berlin mit den theoretischen Aspekten der Remixkultur beschäftigt sowie bei Nacht als DJ selbst Hand an’s Remixen legt. Er hat uns mehr zum Thema Urheberrecht in der Musik, dem „Zeitalter des Remix“ und seiner Sichtweise auf traditionelle Ansichten von Kreativität und Innovation erzählt.

Untergrundkultur in Kiew nach der Euromaidan

Nach den Bürgerprotesten 2013 und den politischen Umstürzen 2014 ist die ukrainische Hauptstadt Kiew wirtschaftlich ziemlich am Boden. Diese Doku zeigt, wie junge Kiewer:innen kreativ mit der Situation umgehen, leere Fabrikräume squatten, Raves veranstalten, neue Mode und anderen Formen des Ausdrucks entwickeln. Erinnert entfernt an die unübersichtliche Situation in Berlin nach dem Fall der Mauer, die plötzliche große Freiräume für eine hungrige Generation bot, die nicht an Bausparverträgen interessiert war sondern am Hier und Jetzt. Spannendes Thema und streckenweise echt gute Kamera.

The 2014 revolution brought Kiev nightlife to a complete standstill. As protests turned into riots, and government security forces opened fire on protestors, the country fell into crisis. But out of the ashes of revolution has risen a new generation. Slava Lepsheev, who’d lost his job because of the financial crisis triggered by the war, had had enough, and started Cxema, a raw, hard and hypnotic techno rave that he took to whatever semi-legal venue he could set a soundsystem up in. So together with Slava, and the city’s brightest young lights, we followed young Kiev as they prepared for a night at Cxema, from building the venue to watching the sunrise break.

„Copy? Right!“ – Workshop an der Hochschule der Künste, Bern (18.-22.4.2016)

Berner Bahn, Aufnahme von bartlinssen1968, lizensiert unter CC BY NC 2.0

Berner Bahn, Aufnahme von bartlinssen1968, lizensiert unter CC BY NC 2.0

Für den 18. und 19. April wurde ich eingeladen, bei einem Workshop an der HKB, der Hochschule der Künste Bern, teilzunehmen. Der Workshop wird organisiert von dem Künstler Søren Berner und dem Soziologen Peter Tränkle. Mit Peter bin ich seit dem Studium befreundet, daher ist es für mich ein besonderes Vergnügen, auf das ich mich schon sehr freue. 🙂

Das Thema könnte kaum passender für mich sein, denn es geht um den Zusammenhang von Copyrights und Kunst. Passt also hervorragend zur Forschung, die ich im Rahmen meiner Dissertation durchführe. Aus der Ankündigung:

Kreativschaffende haben zu allen Zeiten voneinander «geborgt» und «gestohlen». «A good composer does not imitate, he steal », so Igor Stravinsky. Das erste moderne Urheberschutzgesetz («Statute of Anne» 1710) hatte das ausdrückliche Ziel, gelehrte Personen anzuregen, Bücher zu veröffentlichen und ihre Rechte als Autoren und Eigentümer der Inhalte gegenüber Verlegern, Druckern etc. zu schützen. Was als eine Motivation für die Veröffentlichung von Ideen zum Wohle der Gesellschaft begann, schützt heute vielmehr Verleger, Musik-Label und Medienkonzerne.

Wie ist die Situation in den Bildenden Künsten? Werke sind aktuell bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers geschützt. So wäre es zum Beispiel streng genommen verboten, das Lied «Happy Birthday» öffentlich zu singen, ohne dafür Lizenzgebühren an den Medienkonzern Warner/Chappell gezahlt zu haben. So wurde wohl fast jeder schon einmal unwissentlich zum Dieb — jedoch nicht auf die romantisch-heroische Art, die Stravinsky im Sinn hatte.

Wir sind bei medialen Inhalten und künstlerischen Werken mit einem spannungsreichen Widerspruch konfrontiert: Sowohl der Schutz von Urheberschaft als auch die öffentliche Zugänglichkeit erscheinen notwendig. Wird unsere Kreativität durch die Urheberrechte gefördert oder behindert? Wo liegen die problematischen Grenzen beider Tendenzen? Und in welcher Relation stehen Möglichkeiten künstlerischen Handelns zu gesetzlichen Vorgaben und Regelungen?

Mit einer kritischen künstlerischen Optik untersucht diese Toolbox die Thematik des Urheberrechts theoretisch mit Gastvorträgen und Dokumentarquellen, praktisch mit der Herstellung neuer Werke aus alten, wieder öffentlich zugänglichen, «schutzlosen» Werken.

Das mit „Happy Birthday“ hat sich mittlerweile geklärt. Laut dem SZ Magazin hat der Musikverlag Warner/Chappell seit 1988 mehr als 50 Millionen Dollar mit dem Lied „Happy Birthday“ eingenommen. Anfang 2016 wurde dann bekannt, dass der Verlag doch nicht das Copyright auf das Lied hat, weil es ursprünglich von einer Kindergärtnerin komponiert wurde (Erstveröffentlichung bereits 1893!) und bereits in den 1920er Jahren Allgemeingut war. Die Story liest sich wie ein Drehbuch eines Hollywoodfilms. Es geht um die Musikerin Rupa Marya, die erfolgreich für die Gemeinfreiheit von „Happy Birthday to you“ gekämpft hat – die Erin Brockovich des Copyrights. Oder so ähnlich… wie dem auch sei, es gibt viel zu diskutieren und ich freue mich darauf! Wenn es meine Zeit erlaubt, werde ich an dieser Stelle dann auch über den Workshop berichten.

Hackathon für Sampling: Der whosampled.com Samplethon 2015

Hab an der einen oder anderen Stelle ja schon mal angedeutet, dass ich nicht unbedingt der Schnellste bin in meiner Berichterstattung. Tagesaktualität ist mir in der Regel nicht so wichtig, das Netz ist ja eh voll von Hypes, Trends und Echtzeitzeugs. Im Nachgang heute ein kleiner Beitrag über den Samplethon, sozusagen einer Art Hackathon für Beatbauer. Hier die Pre-Promo:

Veranstaltet wurde der Wettbewerb im November 2015 von whosampled.com, dem Vroniplag für Samples. Der Samplethon wurde nach der Premiere 2014 bereits zum zweiten Mal ausgerichtet. Hier ein Auszug aus dem Promo-Text:

This first-of-a-kind event format gives up-and-coming producers access to rare and sought after sample material from a leading music library to produce exciting new music under the guidance of world class producers. During this one day event hosted at the London’s world famous Metropolis Studios with support from Audeze, 20 producers were given exclusive access to pre-cleared original sample material from the Bruton Music catalogue, a label of Universal Production Music. The challenge: to produce a new track using the provided sample material against the clock, with the supervision and assistance of our team of esteemed mentors. This event created a rare opportunity to sample from these highly regarded recordings performed by world class musicians, free from the legal shackles often associated with sampling.

The day concluded with a judging session where industry experts chose the winning tracks which now go forward for inclusion on a forthcoming release alongside tracks created by established producers, all to go on to form part of the prestigious Bruton Music library.

Mir fällt auf, dass in den Ankündigungen immer wieder die rechtliche Seite des Samplings ins Spiel gebracht wird. Der Samplethon soll einerseits das kreative Potential von Sampling zeigen, andererseits bietet er mit den vorab geklärten Katalogtracks (in diesem Fall von Bruton Music library) einen Ausweg aus dem rechtlichen Dilemma des Sample-Clearings an. Darüber hinaus kann man über Wettbewerbe ja auch Talente sichten usw. Scheint für alle Seiten eine Win-Situation zu sein, oder man verspricht sich zumindest was davon. Bruton Music ist übrigens ein Sublabel vom Verlag Universal Production Music. Bei der Verlagskonkurrenz von EMI Production Music rief man im Herbst letzten Jahres eine „Sampling-Amnestie“ aus. Sind diese Entwicklungen Anzeichen dafür, dass in der Musikindustrie nach und nach ein Umdenken stattfindet und man die Kataloge für eine zukünftige Verwertung durch Sample-Lizenzen öffnen will?

Hier die drei Gewinner:

 

Alles schöne Tracks, keine Frage, aber der Vergleich zu den Originalsamples fehlt. Das war beim Sample-Wettbewerb „3 Notes and runnin“, der 2004 von downbattle.org ausgerichtet wurde, anders. Damals war auch die Musikindustrie nicht der Partner, sondern der Gegner. Nach einer gerichtlichen Entscheidung zwischen Funkadelic und N.W.A. wurden letztere wegen eines kaum wahrnehmbaren Samplings von 3 Noten aus einem Riff von Funkadelic schuldig gesprochen:

In the case, the court found that NWA violated copyright law when they sampled 3 notes of a guitar riff from Funkadelic’s „Get off Your Ass and Jam“ for their song „100 Miles and Runnin'“. The ruling reversed a district court finding that because „no reasonable juror, even one familiar with the works of George Clinton, would recognize the source of the sample without having been told of its source“, sampling clearance should not be required.

In doing so, the court broke from decades of established sample practice by ruling that all samples, regardless of how heavily manipulated or unrecognizable they may be, are subject either to „clearance“ (obtaining permission for use of the sample, usually in exchange for money), or litigation. In an instant, this act made the majority of sample based music illegal. For more, read Why Sample Rights Matter.

To protest this decision, we are creating a forum for sample-based musicians and artists to share their own 30 second songs which have been created using only the sample in question. By doing so, we hope to showcase the potential and diversity of sample based music and sound art, and to call into question the relationship between a sample and its use. All entries will be posted on this site as they are received.

Um die künstlerische Kreativität des Samplings zu betonen, sollten aus dem kurzen Riff musikalische Versionen hergestellt werden. Die Ergebnisse sind erstaunlich und teilweise überhaupt nicht mehr mit dem Original in Verbindung zu bringen.

[via Robyn]