Kopie und Inspiration @ DMY International Design Festival, Anfang Juni in Berlin Tempelhof

Wie im Netz zu vernehmen ist, findet vom 1. bis 5. Juni 2011 auf dem Gelände des Flughafens Tempelhof in Berlin das Internationale Design Festival DMY statt. Schön und gut, was genau hat das jetzt mit diesem Blog zu tun?

Ich verrate es Euch: ein Schwerpunktthema, dem auch ein Symposium gewidmet sein wird, ist das Spannungsverhältnis von Kopie und Imitation im Bereich des Designs. Im Programmheft wird das Thema folgendermaßen umrissen:

„Das Symposium beschäftigt sich mit den zu Grunde liegenden Wertesystemen und ihren Implikationen. Das Konzept des Originals und seine zukünftige Relevanz wird angesichts der gegenwärtig aufkommenden Co-Working und Sharing Praktiken diskutiert. Gleichzeitig werfen wir einen Blick auf die andere Seite und beleuchten die Gründe und Realitäten hinter der Praxis des Kopierens, Imititierens und der Inspiration. Hat Design sich tatsächlich von einer Disziplin, die sich auf nahezu universelle, gesellschaftliche Werte stützte, zu einer Disziplin entwickelt, die allein der Einrichtung einer Status-Gesellschaft dient? Das DMY International Design Festival 2011 bietet Raum für engagierte Diskussionen zu diesem Thema und beleuchtet kontroverse Aspekte des thematischen Komplexes in kuratierten Ausstellungen und Präsentationen.“

Offizielle Homepage

Collage Culturel Pts. 1 und 2

Es ist schon ein Weilchen her, dass hier ein Beitrag gepostet wurde, es wird Zeit, das nachzuholen. Denn in dieser kleinen „Frühlingspause“ ist einiges im Netz zum Thema Sampling passiert… der bemerkenswerteste Beitrag stammt sicherlich vom Berliner Regisseur, Blogger und freien Autor David Schwertgen, der die ersten beiden Teile seines neuen Formats Collage Culturel auf Arte Creative veröffentlicht hat. Das Thema ist ein altbekanntes, nämlich die Anwendung von copy+paste im künstlerischen Bereich zur Herstellung von neuen kulturellen Produkten. Es geht um die verschiedenen Formen des Remixens, des Auseinandernehmens und der Neu-Kombination von kulturellem Material – David Schwertgen hat dabei die verschiedensten Domänen im Blick, von bildender Kunst und Malerei über Literatur und Musik hin zu Mode und Malerei. Dabei ist das Format selbst auch interaktiv und reflektiert den inhaltlichen Kerngedanken wider – am Ende einer jeden Folge werden Zeichungen, Musik oder andere künstlerischer Produkte auf der Website zur Verfügung gestellt, die dann von den Zuschauern selbst geremixt werden können.

Folge 1 – Über den kalifornischen Collagekünstler Thomas Chapman und den Cut-Up-Literaten William S. Borroughs

Folge 2 – Über den Berliner Mash-Up-Künstler und DJ Shir Khan und den New Yorker DJ Steinski

[Leider hab ich grad keinen Plan, wie sich die Videos auf WP einbinden lassen.]


Sampling-Videos im Netz

2010-12-16

Auf dem JuS-Kanal auf Youtube findet ihr nun einige Videos, die im Laufe der Zeit zusammen gekommen sind und die alle auch mit Sampling, Digging und Artverwandtem zu tun haben. Die Idee ist, die Liste laufend zu aktualisieren und das vorhandene Material zu sammeln. Es finden sich kleine Dokus, interessante Tracks und andere feine Goodies.

 

Unter anderem gibt’s dieses schöne Video von DJ Dbefekt, kompakt zusammengeschnitten und in einem eleganten 6-Minuten Häppchen für Youtube verpackt: DJ Dbefekt – Sampling

 

Etwas kürzer, aber auch sehr informativ und ansehnlich aufbereitet ist diese kleine Doku über die Akai MPC a.k.a. „The Two Hand Band“:

Und hier noch drei Videos, die Sampling auch auf der musikalischen Ebene thematisieren:

 

Eins Zwo – Rechte Dritter

 

Paul Frick – Steal my Heart

 

Pablo – The Story of Sampling

Auf Vimeo finden sich übrigens auch ganz interessante Sachen. Dies hier ist eine über 20-minütige Dokumentation namens „Walking on Eggeshells: Borrowing Culture in the Remix Age“, die als Seminararbeit an der Universität in Yale zum Themengebiet Aneignung, Besitz und Kultur angefertigt wurde.

 

Und zu guter Letzt noch den ersten der vier Teile von „Everything is a Remix“, in denen versucht wird den Remix als zentrale Kulturtechnik der Postmoderne zu beschreiben.

…wie geschnitten Brot: Der Cut-Up

Der Cut, zu deutsch „Schnitt“, ist eine der zentralen Techniken zur Bearbeitung von Videomaterial und damit zur Herstellung von Filmen. Als Cut-Up hingegen bezeichnet man eine spezifischere Sample-Technik, die der Collage nicht unähnlich ist und sich durch scharfe Schnitte und/oder Zufälligkeit der benutzten Samples auszeichnet. Ursprünglich stammt der Cut-Up aus der Literatur der 20er Jahre, als der Franzose Tristan Tzara auf der Bühne mit der Reihenfolge seiner Wörter experimentierte. Er improvisierte in dadaistischer Manier ein Gedicht zusammen, indem er Phrasen und Wörter zufällig aus einem Hut zog und so vorlas. Reaktion des Publikums: nicht bekannt.

Dreißig Jahre später, also zum Ende der 50er Jahre, konnte sich der Cut-Up dann schließlich vor allem durch die Arbeiten von William S. Burroughs (bekannt z. B. von „Naked Lunch“) etablieren, wobei nicht er, sondern sein befeundeter Maler Brion Gysin, als der eigentliche Erfinder gilt:

„Er schnitt auf seinem Arbeitstisch ein Passepartout zurecht, und die Zeitungsseiten, die er als Unterlage benutzte, zerfielen dabei in Streifen. Als er die Streifen in willkürlicher Anordnung auf einen Karton klebte und spaßeshalber versuchte, sie als „intakte“ Seite zu lesen, erlebte er einen eigenartigen Effekt: Es kamen durchaus vollständige Sätze zustande, die teils erheiternden Nonsens enthielten, teils aber auch einen geheimnisvoll verschlüsselten Sinn zu haben schienen.“

Photo Cut-Up von BurroughsMit Hilfe des Cut-Ups ist es also möglich, z. B. Bilder, Fotos, Wörter, Sätze oder auch ganze Texte in ein Verhältnis miteinander zu bringen. Dahinter steckt immer das charakteristische Prinzip der Zerschnipselung und des Neu-Arrangements eines Werkes in willkürlicher oder bewusster Form. Diese Methode lässt sich auch auf andere Medien anwenden, sei es nun Musik, Film oder Fotografie. Die Schnitte werden dabei bewusst scharf gesetzt, was sich im neuen Werk als charakteristisches Stilmittel entsprechend bemerkbar macht. Der Cut-Up ist also eine Sample- und eine Remix-Technik (nicht nur für Erpresserbriefe), die ganz erstaunliche Neuinterpretationen hervorbringt, wie zum Beispiel Pogos Adaption von Disney’s „Up“ namens „Upular“ (man hätte es auch sinnigerweise „Cut UP“ nennen können, aber was solls…)

Die Aleatorik treibt das Prinzips des Cut-Ups dabei auf die Spitze, da hier im gelenkten Zufallsverfahren Samples aus verschiedenen Quellen neu miteinander kombiniert werden. „Product Placements“ von Johannes Kreidler ist genau so Kunstwerk, das automatisiert aus einer Unmenge von Samples mit Hilfe eines Computers zusammengestellt wurde. Urheberrechtliche Konsequenzen und Fragen der Autorschaft inklusive.

In der modernen Musik ist der Cut-Up also eine Form des Remixes, in dem Klänge, Instrumente und vor allem Gesang so wiedergegeben werden, dass es sich scharf geschnitten oder auch „zerhackt“ anhört. Auch eine Methode der kritischen Umdeutung, wie Dsico zeigt:

Dsico – Keep it real, bitch (J.Low Cut-Up)

Besonders interessant wird’s natürlich bei Cut-Ups aus Video und Musik aus verschiedenen Vorlagen wie bei dieser Fleißarbeit von Eclectid Method:

Von semantischer Piraterie und kulturellem Kannibalismus

2010-09-15

aus: Ursus Wehrli - Kunst aufräumen (2002)

Nicht nur musikalisch sondern ganz allgemeingesellschaftlich interessant ist dieser Vortrag über Aneignungs-, Arrangierungs- und Deutungspraktiken kulturellen Materials von Martin Butz: „Antropofagia: Von Menschenfressern, Prosumenten und einer eigenartigen Kultur“, vom Chaos Computer Club auf Video getaped und hier online zur Verfügung gestellt: http://media.ccc.de/browse/conferences/sigint10/sigint10_3845_de_antropofagia.html

Der Vortrag spannt einen weiten Bogen ausgehend vom Konzept der Antropofagie über Remix, Sampling und Sweded Versions bis hin zu Le-Parcour-Bewegung. Der 1928 veröffentlichter Ansatz der Antropofagie (oder Anthropophagie) ist ein ursprünglich brasilianisches Konzept  einer „emanzipatorischen Kulturtechnik“, der es darum ging, die koloniale Herrschaft und die damit verbundenen dominanten Deutungsmuster zu unterwandern, umzudeuten, zu verändern und damit anzueignen. Die Kernthese lautet: „Die Dekomposition, das Auseinanderpflücken, die Ignoranz gegenüber dem ursprünglichen Zusammenhang der Teile erschafft einen neuen Sinn. Indem der vormalige Kontext eines Gegenstands (einer Idee, einer Technologie, eines Verbraucherangebots) ignoriert, die Gebrauchsanweisungen und Nutzungsgebote missachtet werden, macht der Antropophage sich und den seinen den Gegenstand des Interesses zu eigen.“

Die Zitate und weitere Informationen zum Vortrag finden sich hier: http://events.ccc.de/sigint/2010/wiki/Fahrplan/events/3845.de.html