Wenn Mona Lisa und Super Mario kämpfen: Reddit veranstaltet großes kollaboratives Sozialexperiment „Place“

Kunst bedeutet Krieg, zumindest auf Reddit. Die haben zum 1. April ein spannendes Experiment gestartet: Unter dem Namen „Place“ wurde eine Freifläche zur Verfügung gestellt, die von registrierten Reddit-Usern beliebig Pixel für Pixel gefüllt werden konnte. Einzige Regel: nach dem Färben eines Pixels muss man 5 Minuten warten, dann darf man den nächsten Pixel bearbeiten.

There is an empty canvas. You may place a tile upon it, but you must wait to place another. Individually you can create something. Together you can create something more.

Was im ersten Moment seltsam klingt, führte in der Anwendung zu regelrechten Feldzügen, die in einzelnen Subreddits abgesprochen wurden. Zum Beispiel die blaue Ecke rechts unten oder das schwarze Loch in der Mitte, das schließlich mit Pink Floyds Albumcover von „The Dark Side of the Moon“ gefüllt wurde. Überhaupt ikonische Bilder: wenig überraschend sind die vielen Nationalflaggen, leider; daneben aber auch so Sachen wie die Mona Lisa, Super Mario, zahlreiche Markenlogos und der allgegenwärtige Regenbogen. Auf Place kann man nachvollziehen, wie sich diverse Zugehörigkeiten kollaborativ artikulieren. Ich habe zwar keine richtige Ahnung, was das bedeutet, aber es ist super spannend.

http://imgur.com/Jh1IRFh

Berliner Untergrund-Kultur: Laub-Raub und Berliner Zimmer

bvg-zimmerBerlin und seine Szene(n) rühmen sich ja für eine vermeintlich weltbekannte Untergrund-Kultur, vor allem was Clubs, Bars und Kneipen betrifft. Zwei Crews aus dem kompetitiven Graffiti-Bereich haben das Thema „Untergrund“ dabei noch etwas wörtlicher genommen: Die einen richteten ein Zimmer in einem Berliner U-Bahnschacht ein, die anderen verteilten säckeweise Laub in einem U-Bahn-Waggon. Für die BVG dieses Jahr schon mehrmals die Gelegenheit, sich zu ärgern, die Stirn zu runzeln oder einfach nur zu schmunzeln.

Zuerst hielt ich die Aktionen für wilde, guerilla-artige Auswüchse des BVG-Marketings, das ja sehr seltsame Blüten treibt (den Gefallen des Verlinkens tue ich Ihnen trotzdem nicht 😛 ), aber mittlerweile glaube ich einfach, dass da zwei Crews im Wettstreit miteinander sind. Die Aktionen wurden von den Künstlern selbst sehr ordentlich dokumentiert, aber natürlich auch in den Medien breit gestreut.

Rocco und seine Brüder richten das „Berliner Zimmer“ ein, wobei es für diese Aktion 2014 offenbar eine Vorlage aus Wien gab.

 

Der Laub-Raub von TOY:

 

Diese Aktion von TOY hat den Charme eines Eisenbahnüberfalls im Wilden Westen:

Vier gewinnt! Aktuelle Podcasts zum Themenbereich Sampling, Originalität und Wiederholung

Das Jahr 2014 hat bereits eine Handvoll sehr interessanter und gut gemachter Podcasts hervorgebracht, die von „etablierten“ Häusern produziert wurden und alle – mit verschiedenen Schwerpunkten – um den Themenbereich Sampling, Remix, Mashup, Wiederholung, Loops, Variation, Plagiat, geistiges Eigentum und Urheberrecht kreisen. Diese Entwicklung ist sehr erfreulich, weil sie die Relevanz der Themen auch in einer breiteren Öffentlichkeit diskutiert und damit die engen Grenzen der eigenen „Filterbubble“ verschiebt. Ich möchte diese kleine „Welle“ an Podcasts zum Ausgangspunkt nehmen, um hier eine kurze Sammelbesprechung anzubieten. Die Podcasts empfehlen sich alle vier sehr gut zum Nebenbeihören, z. B. beim Kochen, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder zwischendrin auf der Couch. Trotzdem empfehle ich aus thematischen Gründen mal folgende Reihenfolge:

Die vier Podcast zum Herunterladen, Anhören, Sampeln und Remixen

Beginnen wir mit dem aktuellsten Feature: „Pop will eat itself von Martin Butz, der für Recht auf Remix schon vorab interviewt wurde. Martins Thema ist das Verhältnis von technologischen Möglichkeiten, ästhetischen Anforderungen und urheberrechtlichen Verwicklungen, in dem sich die moderne Musik- und Kunstproduktion derzeit befindet. Anhand zahlreicher Interviews mit Experten aus Wissenschaft, Recht, Kunst und Musik spürt er den Phänomenen „Remix“, „Zitat“ und „Variation“ nach und zeigt an vielen spannenden Beispielen aus der klassischen Musik, dem Pop und weiteren künstlerischen Richtungen die historische Dimension dieser Techniken auf. Sehr unterhaltsam und vielseitig, und damit als Einsteig hervorragend geeignet! Ins Manuskript kann man auch vorher schon mal reinschnuppern. Außerdem empfehle ich die Hintergrundinformationen, die Martin bei sich verbloggt hat.

„‚Pop will eat itself.‘ Vom Musikmachen mit Musik. Remix, Plagiat und Copyright“ (Martin Butz, Deutschlandfunk 2014)

 

Einem ähnlichen Ansatz folgen die Macher des Podcasts „Fade in/Fade out. Remixing Culture“ von der Kulturwelle der HU Berlin. Ich vermute dahinter Angehörige des Instituts für Kulturwissenschaften. Sie betrachten den Remix aus einer allgemeinen Perspektive, als Kulturtechnik, die eben in der Musik eine spezielle, geradezu postmoderne Ausprägung angenommen hat, wenn alles musikalische Material als „Sound“ verfügbar ist und in endlosen Rekombinationen neu zusammengesetzt werden kann. Ein Akzent des Features liegt dabei auf der Frage nach der „Authentizität“: Was und wie muss etwas klingen, damit es als authentisch erfahren wird? Durch die Beleuchtung dieser spezieller Fragen ist es ein super follow-up zu Martin Butz‘ Feature. Sehr interessant ist auch der Abschluss, in dem die Sendung selbst von Ramsus Lauvring geremixed wird.

„Fade in/Fade out. Remixing Culture“ (Anastasia Andersson und KollegInnen, Kulturwelle, Institut für Kulturwissenschaft, HU Berlin 2014)

 

Der Journalist Andreas Main dreht sich für sein Feature „Die Wiederholung in den Künsten“ im Kreis – bildlich gesprochen. Die Wiederholung, die Serie, der unendliche Loop ist sein Thema, das er in verschiedenen Portraits und Interviews mit Musikern und Künstlern erkundet. Die künstlerische Wiederholung hat in unserem Kulturkreis einen denkbar schlechten Stand, da sie vorwiegend mit Faulheit, bloßem „Abkupfern“, fehlender Inspiration oder sogar Plagiat in Verbindung gebracht wird. Doch zeigt Andreas Main, dass die fortlaufende Wiederholung oder Imitation einen ganz eigenen künstlerischen Aspekt bereit hält, wie zum Beispiel durch das tiefe auditive Eindringen in einen House-Loop. Oder, und diese Stelle fand ich besonders beeindruckend, durch die bewusste Reduktion und Fokussierung auf eine bestimmte Sache: der Maler Peter Dreher malt seit Jahren ein und dasselbe Glas. Jeden Tag auf’s Neue, und jeden Tag ist es eine neue Herausforderung für ihn. Auch hier wurde netterweise das Manuskript bereitgestellt.

„Die Wiederholung in den Künsten: Tag um Tag guter Tag“ (Andreas Main, Deutschlandfunk 2014)

 

Und wo bleibt da die Originalität?, fragt Roderich Fabian vom Bayerischen Rundfunk in seinem Feature „Bewährt statt neu“. Die Antwort könnte lauten: Auf der Strecke. Die Sendung arbeitet sich an der These von der „Originalitätsdämmerung“ des Karlsruher Kunstprofessors Wolfgang Ulrich ab, die Peter Dreher im o. g. Feature bereits vorbildlich illustriert hat. Die Fixierung auf Originalität, Innovation und das ständige Neue ist ein Fetisch unserer Zeit, dabei ist Bewährtheit und Vertrautes ein viel signifikanteres Dogma der Kunst, wenn man Ulrich folgt. Der Podcast hängt sich dabei an der Diagnose der „Retromania“ auf, die der Musikjournalist Simon Reynolds diskutiert und zeigt anhand zahlreicher Beispiele, dass es mit Originalität in der Kunst oft ganz anders bestellt ist, als auf den ersten Blick scheint.

„Bewährt statt neu. Ist die Originalität der Kunst am Ende?“ (Roderich Fabian, Bayerischer Rundfunk 2014)

 

Bob Willoughby fotografiert Big Jay McNeely am Saxofon (1953)

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big-jay-mcneely-on-sax-olympic-auditorium-la-1953-bob-willoughbyFotografie von Bob Willoughby: Big Jay McNeely driving the crowd into a frenzy at the Olympic Auditiorium, Los Angeles, 1953 (Original in Schwarz/Weißnachkoloriert von traquea auf reddit)

Podiumsdiskussion: “Original oder Kopie? Ein Grenzgang” am 1. Juli 2013 in Berlin

Nächste Woche findet eine Podiumsdiskussion zum Thema „Original oder Kopie? Ein Grenzgang“ statt. Neben Susanne Binas-Preisendörfer (Professorin für Musik und Medien, Uni Oldenburg) und Philipp Theison (Professor für Literatur- und Kulturwissenschaft, ETH Zürich) sind auch Jan Kühn (Berlin Mitte Institut / Institut für Soziologie, TU Berlin) und Georg Fischer (Jäger und Sampler / ebenfalls Institut für Soziologie, TU Berlin) als Diskutanten eingeladen. Organisiert wird die Diskussion von der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) und der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB).

Jan befasst sich schon seit längerer Zeit mit der Berliner Technokultur im Sinne einer „Szenewirtschaft“ und hat seine ethnographische Diplomarbeit zum Thema „Wie entsteht Neues bei der Produktion elektronischer Tanzmusik in Homerecording-Studios? geschrieben. Meine eigene, eher soziohistorisch angelegte Diplomarbeit, die im April 2013 abgegeben wurde und derzeit beurteilt wird, hatte „Kreativität und Innovation des Samplings“ zum Thema (eigener Blogeintrag folgt).

Ich bin mir sicher, dass sich eine spannende und aktuelle Diskussion entwickeln wird, die sich vermutlich vor allem um das Verhältnis von Kopie und Original, von Kreativität und Inspiration in der Musik und der Kunst drehen wird. Die Praktiken Sampling, Remixing, Blends und Mashups sind ja zentrale oder zumindest relevante Bestandteile vieler Genres der Popmusik, führen aber oftmals zu juristischen Problemen durch Urheberrechtsverletzungen oder zu Lizenzierungs- und Finanzierungsschwierigkeiten. Auch und gerade diese Probleme werden sicherlich Teil der Diskussion sein. Die Veranstaltung ist übrigens öffentlich und frei für alle Interessierten, um Anmeldung wird gebeten (siehe unten).

Aus dem Ankündigungstext:

Themenzeit: “Original oder Kopie? Ein Grenzgang” – Kunst ohne Limit. 
Wo ist die Grenze zwischen Kunst und Kopie?

Bestehendes dient oft als Vorlage für Neues. Doch wie verhält es sich damit in der Kunstszene? Wann kann ein Kunstprodukt Originalitätsanspruch erheben und wann wird es zum Plagiat? Auch in der Musikbranche ist es üblich, Musikstücke umzuformulieren, um daraus etwas Neues zu schaffen. Die wohl bekanntesten Beispiele hierfür sind das Sampling und das Mash-Up. Aber ab wann ist die künstlerische Eigenleistung nicht mehr gegeben, wann werden Urheberrechte verletzt und gibt es in der Künstlerszene einen Ehrenkodex, der sich mit dem respektvollen Umgang bestehender Kunstwerke auseinandersetzt? Im Gespräch mit Prof. Dr. Susanne Binas-Preisendörfer, Autorin der Studie zur Populärmusik “Klänge im Zeitalter ihrer medialen Verfügbarkeit”, Georg Fischer, DJ und Initiator der Radioshows “Basement Garage” und “Jäger und Sampler” und dem Soziologen Jan-Michael Kühn (DJ Fresh Meat) wird der Kultur- und Literaturwissenschaftler Dr. Philipp Theisohn diesen Fragen nachgehen und Wege aus dem Dilemma diskutieren.

Die Veranstaltungsreihe “Themenzeit” wird von der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb in Kooperation mit der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) durchgeführt und und richtet sich an alle politisch interessierten Bürgerinnen und Bürger. Monatlich erhält das Publikum unweit des Checkpoint Charlie die Möglichkeit, bekannte Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Kultur persönlich kennenzulernen und mit ihnen aktuelle gesellschaftliche Themen zu diskutieren. Die sechste Ausgabe findet begleitend zu dem Themenraum “Original oder Kopie?” statt, der vom 2. Juli bis zum 1. August in der Amerika-Gedenkbibliothek eingerichtet ist. (Quelle BPB)

1.7.2013, 19-20:30 Uhr in der Bundeszentrale für politische Bildung, Friedrichstraße 50, 10117 Berlin, 4. Stock. 

Anmeldung bei Mahyar Nicoubin, Tel: 030-254504-429 oder E-Mail: mahyar.nicoubin@bpb.bund.de. 

Alle Infos gibt es auch hier.

© R.B. / PIXELIO

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