
Vor kurzem wurde ich von dem Berliner Regisseur Martin Baer auf sein aktuelles Filmprojekt „Copyright – Der illegale Film“ aufmerksam gemacht. Derzeit läuft eine Crowdfunding-Kampagne, die Ideen und Geld zur Realisierung des Projekts einwirbt. Die Macher des Projekts mussten für ihren Ideenaufruf sowie für einige Aussagen aus dem Trailer Kritik einstecken; unter anderem war der Vorwurf der Unprofessionalität dabei, nach dem positivistischem Credo: Die Welt ist halt durchzogen von Urheberrechten und dem Schutz geistigen Eigentums, daher ist es die Pflicht der Filmemacher, die Urheberrechte zu überprüfen und die Verwendung abzuklären – falls keine Lizensierung möglich ist, hat man eben Pech gehabt. Ähnlich wie der Musikfilm „Sample: Not for Sale“, der wegen nicht einholbaren Lizenzen von verwendeten Samples niemals kommerziell verfügbar sein wird.
Soweit ich das verfolgen konnte, kamen die Vorwürfe gegen Baer und Kollegen vorwiegend von professionell mit dem Recht befassten Menschen. Vor etwa einem Jahr, also Ende Januar 2015, gab es ein ähnliches Problem, als Jan Böhmermann mit einem getweeteten Foto eine Debatte über Urheberrechte und Professionalität lostrat. Dirk von Gehlen hat damals dafür argumentiert, dass die urheberrechtliche Situation teilweise so kleinteilig und verheddert ist, dass sie nur noch von Fachleuten durchsehen werden kann:
Um es im Duktus des Abendblatts zu sagen: Wenn sogar ein Medienmensch wie Böhmermann nicht mehr richtig durchsteigt, was geht und was erlaubt ist, sollten wir vielleicht mal über die Ausgestaltung des Urheberrechts sprechen – statt einfach nur darauf hinzuweisen, dass es existiert.
So eine ähnliche Situation meine ich auch hier erkennen zu können. „Der illegale Film“ schlägt genau in diese Kerbe. Was ich daran interessant finde, ist weniger die konkrete Frage, ob/wann/wie man jetzt auf dem Tempelhofer Feld Fotos machen darf oder ob man sich mit einem Verbot abfinden muss. Ich finde das dahinter liegende gesellschaftliche Problem interessanter, nämlich die Frage nach dem Verhältnis von (technischer) Reproduzierbarkeit und (juristischer) Nicht-Reproduzierbarkeit. Die Idee dazu stammt ursprünglich von dem Medienwissenschaftler Jens Schröter, die er in dem Band „Kulturen des Kopierschutzes I“ (passenderweise sind Kondome auf dem Cover) ausformuliert hat:
Das Ausgreifen der Reproduzierbarkeit – gleich ob das Prinzip schon immer existiert hat oder nicht – auf immer weitere Gegenstandsbereiche hat zwingend die Entstehung einer technischen Nicht-Reproduzierbarkeit zur Folge. (S. 14)
Schröter will damit zeigen, dass Techniken der Reproduzierbarkeit wie Fotografie, Kopieren, Sampling, 3D-Druck, etc. auch Techniken der Nicht-Reproduzierbarkeit nach sich ziehen (z. B. DRM-Kopierschutz, juristische Verbote, Hologramme, etc.). Und ich glaube, diese Nahtstelle, an der Reproduzierbarkeit und Nicht-Reproduzierbarkeit miteinander konfligieren, platzt mit Web 2.0, Remixkreativität und user-generated content gerade richtig auf. Die im Trailer von „Der illegale Film“ gezeigten Beispiele belegen das.
Vor diesem Hintergrund wirken die positivistschen Streitereien logischerweise kleinlich. Ich finde es aber wichtig, dass das Thema einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht und entsprechend seriös, kritisch und nachvollziehbar aufbereitet wird. Leonhard Dobusch weist übrigens darauf hin, dass das Crowdfunding an sich schon ein urheberrechtlich-künstlerisches Statement ist:
Der Ansatz, eine Dokumentation über Urheberrecht via Crowdfunding zu finanzieren ist dabei für sich schon ein Statement: die mit Crowdfunding verbundene Möglichkeit zur Vorfinanzierung kreativer Tätigkeiten ist viel weniger auf ein hohes urheberrechtliches Schutzniveu angewiesen, als herkömmliche Geschäfts- und Verwertungsmodelle. Außerdem beschränkt sich der Crowd-Ansatz im Projekt nicht auf Crowdfunding, vielmehr bitten Baer und Wischmann auch um inhaltliche Vorschläge sowie um die Einsendung des persönlichen Lieblingsbildes.
Zur Crowdfunding-Kampagne von „Copyright – Der illegale Film“
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