Die Maus hatte ich hier vor kurzem schon mal, als sie uns erklärt hat, wie die telefonische Zeitansage funktioniert (nämlich mit einem dreiarmigen Plattenspieler). In einer aktuellen Folge der Lach- und Sachgeschichten geht es um die Herstellung von Schallplatten im Presswerk. Super erklärt und sehr informativ. Prädikat: Pädagogisch wertvoll 😉
Screenshot aus dem Tedx-Talk / (c) Bruno Destombes (steht rechts unten im Bild)
Auf dem Vinylfetisch-Blog The Vinyl Factory bin ich auf diesen Talk gestoßen. Der DJ und Plattensammler Alexis Charpentier spricht hier über seine Leidenschaft: das Suchen, Aufspüren und Sammeln von alten, vergessenen und verschollenen Schallplatten. Er umschreibt mehrmals, dass seine Tätigkeit große Nähe zu Archäologen und Archivaren bzw. Kuratoren hat. Auch zu Detektiven, würde ich mal noch ergänzen, je nachdem, wie ernst man das Ganze nimmt. Interessant finde ich zudem, wie er den Zusammenhang zu der Unmenge an digital verfügbarer Musik herstellt und dass es in diesen unübersichtlichen Zeiten Menschen braucht, die aus dem Ozean des Verfügbaren eine Auswahl treffen (z. B. durch DJ-Sets oder Spotify Playlisten, aber auch Re-Issues und Compilations). Charpentier erzählt dabei auch die Geschichte von dem haitianischen Musiker Henri-Pierre Noel, dessen Musik leider untergegangen ist, die aber dank der Digger nun als Re-Issue wieder verfügbar ist.
Was Alexis Charpentier nicht erzählt, ist wie das Re-Issue-Business so abläuft, insbesondere was die Lizensierung der alten Musik betrifft und wie sehr teilweise die wiederaufgelegten Musiker ausgequetscht werden – auf Basis alter und neuer Verträge, in denen beispielsweise Studiomusiker per buy-out die Copyrights an ihren künstlerischen Anteilen entzogen wurden. Zu diesem Thema gibt es bei der Groove gerade einen guten kritischen Artikel, auf den ich in diesem Zusammenhang unbedingt aufmerksam machen will, da er einen differenzierteren Blick auf das Geschäft mit der Aneignung vergessener Musik bietet und nicht nur die weiße Kuratoren-Perspektive bedient. Hier zwei kurze Ausschnitte aus dem Artikel „Black Roots, White Fruits“ von Niklas Fucks:
Oft ist die Rechtslage unklar, das Originallabel lange schon nicht mehr existent, der Lead-Sänger verschollen, die Masterbänder zerstört, die Verträge abgebrannt, die Nachkommen zerstritten oder kaum zu finden. „Manchmal ist man froh, wenn man überhaupt jemanden findet, der einem das Geld abnimmt und idealerweise unterschreibt, dass er die Rechte hat“, gesteht ein Labelbetreiber, der lieber anonym bleiben möchte. Abgesehen davon haben nicht immer die MusikerInnen die Rechte inne, obwohl sie in einer perfekten Welt die Tantiemen verdienen würden. Der bekannteste Fall einer solchen Win-Lose-Situation ist der von Clyde Stubblefield: Der „Funky Drummer“-Schlagzeuger hat nie etwas an seinem legendären Drumbreak verdient, obwohl es sich um die meistgesampelten Takte der Musikgeschichte handelt. Einigen Labels erscheint es so sinnvoller, Bootlegs zu pressen oder die teils recht schwammige Gesetzeslage wie etwa die Verjährung des Urheberrechts 70 Jahre nach dem Tod des Verfassers auszunutzen.
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Es ist nicht zu leugnen, dass die meisten Reissue-Labels von wohlhabenden, oft weißen, nordamerikanischen oder europäischen Männern betrieben werden. Die mögen uns mit ihrer Arbeit zwar allen einen Gefallen tun, aber eben auch die klassischen kolonialen Mechanismen reproduzieren, die bis heute die Weltwirtschaft bestimmen.
Zugegeben, ich bin nicht immer der schnellste, wenn es um’s Bloggen geht. Mittlerweile ist März und dies hier ist der erste Eintrag für Zwanzigdreizehn. Hmmm. Dafür gibt es diesen Blog hier aber auch schon seit fast drei Jahren und er birgt sicher einige Schätze, wenn man etwas tiefer darin gräbt. Einen dieser Schätze möchte ich heute kurz vorstellen: Eine neuseeländische Doku über die Herstellung von Schallplatten bzw. Dubplates, die wirklich sehr sehr gut investierte 16 Minuten darstellt. Die Macher der Doku sind nach Europa geflogen und halten Visite bei einigen Vinylpressern, sei es Duophonic in Augsburg, Centraldubs im Schweizerischen Bern oder der Vinylfactory in London. Ziel ist es, der Faszination Vinyl nachzuspüren und die zeigt sich eben nicht nur beim Abspielen, sondern auch in der – als Wissenschaft zelebrierten – Herstellung der schwarzen Scheiben.