Spannende Tagung im Januar 2015 in Oldenburg an der Schnittstelle von Wissenschaftsforschung/STS und Musikwissenschaft. Weitere Informationen auf der Tagungshomepage: denkstrukturen.wordpress.com
Ort: Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Institut für Musik
Datum: 16.–17. Januar 2015Konzeption: Sebastian Bolz (Ludwig-Maximilians-Universität München), Moritz Kelber (Universität Augsburg), Ina Knoth (Universität Hamburg), Anna Langenbruch (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg)
Obwohl Geschichte und Soziologie der Musikwissenschaften heute gewiss nicht mehr als terra incognita gelten können, bleiben Denkstrukturen und Netzwerke, die als Räume und Grenzen auf den entsprechenden wissenschaftlichen Landkarten erscheinen müssten, merkwürdig verschwommen. Für jede junge Forschergeneration bildet die Orientierung im historischen Bewusstsein ihres Fachs einen grundlegenden Schritt auf dem Weg zur wissenschaftlichen Selbständigkeit. Die kritische Auseinandersetzung mit methodischen Grundausrichtungen der Disziplin gehört dazu ebenso wie die Reflexion persönlicher und institutioneller Netzwerke, die Denk- und Redeweisen als tacit knowledge (Michael Polanyi) entscheidend prägen. Ausgangspunkte für wissenschaftssoziologisch fundierte, historisch informierte Erkundungen des Fachs bilden etwa musikwissenschaftliche Denkstile und Denkkollektive (Ludwik Fleck), Paradigmenwechsel (Thomas S. Kuhn) oder Akteur-Netzwerk-Zusammenhänge (Bruno Latour).
Ansätze zu einer musikwissenschaftlichen Fachgeschichte haben sich bisher vor allem auf die Aufarbeitung der Kriegs- und Nachkriegszeit konzentriert (etwa im „Fall Eggebrecht“). Anknüpfend an die aktuellen Bemühungen um eine selbstreflexive und wissenschaftsgeschichtliche Auseinandersetzung innerhalb des Fachs Musikwissenschaft und aufbauend auf einem Symposium der Fachgruppe Nachwuchsperspektiven in der Gesellschaft für Musikforschung (Dresden 2013) fragt die geplante Tagung nach den Bedingungen von Wandlungsprozessen, Fachtraditionen, Sprachregelungen und ihren Konsequenzen für die heutige Musikforschung. Weniger die punktuelle Erschließung des Terrains im Rahmen von Fallstudien steht dabei im Mittelpunkt, sondern vielmehr die Frage nach den theoretisch-methodischen Prinzipien musikwissenschaftlicher Wissenschaftsforschung. Erst auf dieser Grundlage lassen sich fachstrukturelle Orientierungspunkte in einer musikwissenschaftlichen Landkarte eintragen (wie Forschungspraktiken, Arbeits- und Kommunikationsstrukturen, Diskurse und Paradigmen, Medien etc.). Die Tagung schließt damit an die aktuelle interdisziplinäre Wissenschaftsforschung an und unternimmt am Beispiel der Musikwissenschaft zugleich erste Schritte zu einer dringend gebotenen Wissenschaftssoziologie der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften (vgl. Maasen 2012).
Ziel der Tagung ist es, eine Debatte über Bedeutung und Wechselverhältnis von Generationen, Netzwerken und Denkstrukturen in der Musikwissenschaft – und über (musikwissenschaftliche) Wissensproduktion – anzustoßen. Folgende Themengebiete stehen dabei im Mittelpunkt:
- Begriffe der Wissenschaftsforschung: Denkstil, Paradigma, Schule, Generation, Netzwerk
- Themen der Wissenschaftsgeschichte: Personen, Kontexte, Konstellationen, Kontroversen und Konstruktionen
- Generationen, Netzwerke und die Konstruktion musikwissenschaftlichen Wissens: Auswirkungen auf Theorien, Methoden, Themen
- Musikwissenschaftliches Denken und Forschungsstrukturen: Arbeitsbedingungen, Förderung, Politik und Öffentlichkeit
- Musikwissenschaftliche Wissensproduktion, Arbeitsweisen und Kommunikations-strukturen
- Medien (musik-)wissenschaftlicher Kommunikation und ihre diskursive Bedeutung
- Musikwissenschaft studieren und lehren: Fachtraditionen und Curricula
Die geplante Tagung soll ein generationenübergreifendes Diskussionsforum bieten, das zum Austausch zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen der Wissenschaftsforschung anregen will und Möglichkeiten eröffnet, Generationen, Netzwerke und Denkstrukturen der Musikwissenschaft systematisch zu hinterfragen.
Programm
+++++++ Stand 15.12.2014 +++++++
Veranstaltungsort: BIS-Saal, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Freitag, 16.01.2015
13.00–13.15 | Begrüßung und Eröffnung der Tagung | |
Grußworte von Katharina Al-Shamery (Präsidentin der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg) | ||
Melanie Unseld (Prodekanin der Fakultät III der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg) | ||
13.15–13.45 | Sebastian Bolz, Ina Knoth, Anna Langenbruch |
Einführung in das Tagungsthema |
13.45–16.00 | Panel I: Generationen und Netzwerke (Moderation: Moritz Kelber, Sebastian Bolz) | |
Henry Hope (Oxford) | Friedrich Gennrich und die „Frankfurter Schule“ | |
Lisa-Maria Brusius (Oxford) | Christian Kadens „Wanderung zwischen den Welten“ – Oral History und die Fachgeschichte der Musiksoziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin | |
14.45–15.00 | Kaffeepause | |
Annette van Dyck-Hemming, Melanie Wald-Fuhrmann (Frankfurt a. M.) |
Von der Generation zum Netzwerk zur Denkfigur? Auf der Suche nach einer zuverlässigen Datenbasis | |
Michael Custodis (Münster) | Kleiner Fisch im großen Teich? Musikwissenschaft und institutionalisierte Forschungsförderung | |
16.00–16.15 | Kaffeepause |
16.15–17.45 | Panel II: Sprachen und Kulturen (Moderation: Anna Langenbruch) | |
Michael Braun (Regensburg) | Dürrenmatt und die Bartók-Forschung: Zum Einfluss einer Sprachhürde auf Forschungsrezeption und -entwicklung | |
Maria Bychkova (Hannover) | Russische musikalische Emigration der ‚ersten Welle’ aus der Perspektive von deutschen und russischen Forschern. Versuch eines methodischen Vergleichs. | |
Carolin Krahn (Wien) | Dimensionen und Implikationen einer kosmopolitischen Musikwissenschaft im deutschsprachigen Raum |
18.00–19.00 | Roundtable I: Kommunikation Macht Musikwissenschaft? Ein- und Ausgrenzung von Wissen (Moderation: Friederike Bunten) | |
Susanne Binas-Preisendörfer, Michael Braun, Michele Calella, Catherine Herbin, Franziska Hohl, Jens Loenhoff Organisation: Studierende der Universität Oldenburg |
Samstag, 17.01.2015
9.00–11.00 | Panel III: Denkstrukturen und Wissenskonzepte (Moderation: Ina Knoth) | |
Jens Loenhoff (Essen) | Implizites Wissen, gelingende Praktiken und die Gegenstände der Erkenntnis | |
Andreas Domann (Köln) | Analogiedenken in der Musikwissenschaft. Zu den politischen Voraussetzungen eines hermeneutischen Paradigmas | |
Franziska Hohl (München) | Wissenshybride zwischen Form und Fantasie. Die Materialität der sprachlichen Performanz am Beispiel der musikalischen Improvisation | |
Karina Seefeldt (Hannover) | Zwischen Schein und Sein – Interdisziplinarität als wissenschaftlicher Ansatz? | |
11.00–11.30 | Kaffeepause |
11.30–13.30 | Panel IV: Öffentlichkeiten und Medien (Moderation: Sebastian Bolz) | |
N. N. | N. N. | |
Kristina Richts (Detmold) | Musikwissenschaft im digital turn? | |
Elisabeth Treydte (Wien/Frankfurt a. M.) | Schreiben über Komponist_innen – ein geschlechterforschende Rekonstruktion des Diskurses in derNeuen Zeitschrift für Musik | |
Jan Hemming (Kassel) | Zwischen Strohfeuer und Nachhaltigkeit. Ein nicht nur persönlicher Erfahrungsbericht zur Medienpräsenz | |
13.30–14.30 | Mittagspause |
14.30–16.00 | Roundtable II: Wozu Wissenschaftsforschung? (Moderation: Moritz Kelber) | |
Ulrike Böhmer, Andreas Domann, Melanie Unseld, Gerald Lind, Melanie Wald-Fuhrmann |